Es war noch nie so einfach, ein Start-up zu gründen. Das Internet ist voll von guten Business-Ideen, -Methoden, -Strategien und sogar Schritt-für-Schritt-Anleitungen, welche zeigen, wie man ein erfolgreiches Unternehmen aufbaut. In sozialen Medien berichten viele Gründer, wie sie ihr Business aufgebaut haben, das ihnen nun sechs- oder siebenstellige Gewinne einbringt. Doch Vorsicht, um die Zukunft zu gestalten, sollte man sich diesen Erfahrungsberichten nicht beeinflussen lassen. Warum?
Mimetisches Begehren
Indem man Social-Media Beiträgen von scheinbar erfolgreichen Unternehmern, Krypto-Investoren, Coaches und anderen Gurus folgt oder sie auch nur passiv konsumiert, wird man unbewusst das nachahmen, was diese Leute tun. Anstatt also die Zukunft zu gestalten, endet man damit, das zu tun, was andere tun.
Bist du einer Facebook-Gruppe voller Freiberufler beigetreten? Dann wirst du nachahmen, was sie machen, und selbst zum Freiberufler werden. Oder bist du dem Startup-Ökosystem deiner Region beigetreten? Dann wirst du diese Menschen und Startups imitieren und am Ende ein ähnliches Unternehmen auf ähnliche Weise gründen.
Man will ein bestimmtes Unternehmen gründen, weil man sieht, dass andere Menschen ein solches Unternehmen gründen wollen.
Da wir also unsere Wünsche anhand der Wünsche anderer gestalten, stehen wir am Ende im Wettbewerb mit genau diesen Unternehmen, die dasselbe Problem auf ähnliche Weise lösen.
René Girard nannte dies das „Mimetische Begehren“. Girard zufolge ist die Nachahmung unausweichlich. Die wichtigste Entscheidung, die ein Gründer daher treffen kann, ist die Frage, wen er nachahmen will.
Von Eins zu N
Aufbauend auf René Girard wandte Peter Thiel die Memetik-Theorie auf die Geschäftswelt und insbesondere auf Start-ups an, um zu verdeutlichen, warum wir technologisch stagnieren und nicht die Zukunft gestalten.
Ein bestehendes Geschäftsmodell zu kopieren oder darauf aufzubauen und es dabei nur geringfügig abzuändern, ist das, was Peter Thiel „von eins zu n“ (1 ⇾ n) nennt.
Wenn man etwa einem Geschäftsmodell ein neues attraktives Branding verpasst oder ein bestehendes Geschäftsmodell auf einen neuen Markt überträgt, geht man von 1 auf, zum Beispiel, 1,5. Man schafft nichts wirklich Neues. Man gestaltet nicht die Zukunft. Man macht einfach dasselbe auf eine leicht abgewandelte Weise.
Doch wie kommen wir von Null auf Eins?
Von Null auf Eins
Von Null auf Eins zu gehen (0 ⇾ 1) bedeutet, etwas zu tun, was noch nie zuvor gemacht wurde.
Man baut ein Unternehmen auf, das sich auf eine bahnbrechende Technologie stützt, und nicht auf kleine Optimierungen.
Peter Thiel hat ein brillantes Buch mit dem Titel Zero To One geschrieben, das für Unternehmer eine gute Übung ist, ihre mimetischen Begierden zu hinterfragen, um dann tatsächlich die Zukunft zu gestalten.
Um die Zukunft zu gestalten, können wir dem Buch einige hilfreiche Fragen entnehmen, welche wir auf unser eigenes Start-up anwenden können.
1. Die technologische Frage
Ist deine Technologie mindestens X-mal besser als die Technologie deines nächsten Konkurrenten? Kannst du eine wirklich wegweisende Technologie auf den Markt bringen?
Wenn deine Technologie nicht mindestens um ein Vielfaches besser ist als die deines nächsten Konkurrenten, stehst du am Ende im Wettbewerb und gestaltest somit nicht die Zukunft.
2. Frage des Timings
Ist jetzt der richtige Zeitpunkt für die Gründung deines speziellen Unternehmens? Warum sollte das Unternehmen ausgerechnet jetzt gegründet werden? Der Erste zu sein, ist eine Taktik, aber kein Ziel. Oft ist es besser, das letzte Unternehmen zu sein, das den Markt erobert, oder wie Peter Thiel es ausdrückt: „Es ist viel besser, der Last Mover zu sein – das heißt, die letzte große Entwicklung in einem bestimmten Markt zu machen und Jahre oder sogar Jahrzehnte von Monopolgewinnen zu genießen.“
3. Die Monopolfrage
Startest du in einer kleinen Marktnische, in der du sofort 80 % des Marktanteils erobern kannst statt zu versuchen, 1 % eines großen Marktes mit mehr als 1 Mrd. $ zu erobern? Ist deine Technologie so überlegen, dass du ein Monopol werden kannst, nicht nur in deiner Nische, sondern mit der Zeit in dem gesamten Markt? Peter Thiel zufolge besteht das Problem eines wettbewerbsorientierten Unternehmens darin, dass es keine Gewinne erzielt. Monopole „sind nicht nur gut für den Rest der Gesellschaft; sie sind mächtige Motoren, die sie besser machen“.
4. Die Frage des Teams
Hast du die besten Köpfe in deinem Team? Die Teammitglieder sind die größte und wichtigste Stärke eines Start-ups. Mit den richtigen Leuten zu arbeiten, ermöglicht es Start-ups, neu und anders zu denken. Und das ist die wichtigste Stärke eines Startups.
5. Die Vertriebsfrage
Das beste Produkt zu haben, bedeutet nichts, wenn man es nicht verkaufen kann. Peter Thiel widerspricht der im Silicon Valley weitverbreiteten Meinung, die Gründern sagt: Konzentriere dich auf das Produkt, nicht auf das Marketing. Aber „der Verkauf ist genauso wichtig wie das Produkt“.
6. Die Frage der Beständigkeit
Kann dein Unternehmen seine Marktposition auch in 10, 20 oder 30 Jahren noch behaupten? Man entkommt der Konkurrenz, indem man in einem Nischenmarkt beginnt, ihn dominiert und mit dem Markt wächst.
7. Die Frage des Geheimnisses
Hast du eine einzigartige Marktchance erkannt, die andere nicht wahrnehmen? Frage dich selbst: “Bei welcher wichtigen Wahrheit stimmen dir nur sehr wenige Menschen zu?”. Eine gute Antwort wird wie folgt formuliert sein: “Die meisten Menschen glauben an x, aber die Wahrheit ist das Gegenteil von x.”
Die Zukunft Gestalten und von Null auf Eins Gehen
Peter Thiel ist überzeugt, dass es noch viele Geheimnisse und damit viele weltverändernde Unternehmen geben wird, die noch gegründet werden müssen. Am wichtigsten ist, dass wir vermeiden müssen, das nachzuahmen, was andere Menschen und andere Unternehmen bereits getan haben – ich selbst eingeschlossen. Die Zukunft zu gestalten bedeutet, von Null auf Eins zu gehen.
Empfehlungen:
Bücher:
“Zero to One” by Peter Thiel
“The Ideas of Rene Girard: An Anthropology of Religion and Violence” by David Cayley
Interview:
René Girard 5-Part CBC interview with David Cayley (2001)
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